Binarität

Binarität bezeichnet das Denken in sich gegenseitig ausschließenden Oppositionen oder Polen. Für den postkolonialen Diskurs reklamiert Hall, dass binäres Denken die Komplexität und Ambiguität der heutigen globalisierten und trankskulturell geformten Welt nicht mehr erklären kann. Grenzziehungen im Zuge politische Positionierungen (im antikolonialen Kampf oder Selbstverständnis) sind unmöglich geworden. Als klassisches postkoloniales Ereignis sieht Hall den Golfkrieg mit seinen verwischten Grenzen von „gut“ und „böse“ und ambivalenten Fronten.

Im Grunde bezweifelt er die Berechtigung von binärem Interpretieren überhaupt; politische Grenzziehungen und Positionierungen sind nicht unterschiedslos auf historische Situationen und Konstellationen anwendbar, sondern konstruiert und daher endlich. Binäre Lesarten von „Drinnen – Draußen“, „hier – dort“, „diese – jene“, „damals –heute“, „Inland – Ausland“ – kurz: „the West and the rest“ lassen sich nicht aufrecht erhalten, sondern sind selbst nur Formen von Transkulturation. Das gilt sogar für die Polarität Kolonialisierter – Kolonialherr und zwingt so dazu, auch die Geschichte der Kolonisation von da aus neu zu interpretieren.

Hall, Stuart: „Wann war ‚der Postkolonialismus‘? Denken an der Grenze“. In: Bronfen, Elisabeth/Marius, Benjamin/Steffen, Therese (Hg.): Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte. Tübingen: Stauffenburg 1997, S. 219-246


Keine Kommentare: