Kulturbegriff nach Edward W. Said

Saids Theorie wendet sich gegen den essentialistischen Kulturbegriff des 19. Jahrhunderts, der Kulturen als in sich geschlossene Einheiten versteht. Sein Verständnis von Kultur geht vielmehr dahin, Kulturen im ständigen Austausch zu begreifen, was beinhaltet, die Hierarchien abzubauen, die eine Kultur über eine andere stellen. Gleichzeitig stellt er die Machtgefüge in Form von ideologischen und politischen Bestrebungen heraus, die einem Kulturgefühl zugrunde liegen.

In Bezug auf den Kolonialismus wendet sich sein Kulturbegriff hin zu einer synthetisierenden Ansicht von gemeinsamem kulturellem Erbe von Kolonisierten und Kolonisatoren.

Zitate:

„[…] bedeutet das Wort "Kultur" insbesondere zweierlei. Erstens meins es jene Praktiken der Beschreibung, Kommunikation und Repräsentation, die relative Autonomie gegenüber dem ökonomischen, sozialen und politischen Sektor genießen und sich häufig in ästhetische Formen kleiden, die u.a. Vergnügen bereiten […]. Zweitens bezeichnet Kultur - und auf beinahe unmerkliche Weise - ein Konzept der Verfeinerung und der Erhebung, das Reservoir jeder Gesellschaft "an Bestem", was je erkannt und gedacht worden ist […]. In diesem zweiten Sinne ist Kultur eine Art Theater, bei dem verschiedenartige politische und ideologische Kräfte ineinandergreifen: kein stiller Bereich apollinischer Vornehmheit, sondern bisweilen geradezu ein Schlachtfeld, auf dem Faktoren gegeneinander wirken […].“ (Said 1994, S. 14–16)

„Kultur in diesem Sinne ist eine Quelle der Identität, übrigens eine ziemlich heftige, wie wir an neueren Beispielen der "Rückkehr" zu Kultur und Tradition beobachten können.“ (Said 1994, S. 15–16)

„[…] Kultur nicht als aseptische Sphäre, abgeschottet gegen alle Berührung mit der Welt, sondern als ein außerordentlich variables Feld von Bestrebungen zu begreifen.“ (Said 1994, S. 17)

„Kultur und die ästhetischen Imaginationen, die sie birgt, wurzeln in der Geschichtserfahrung, die in der Tat eines der Hauptthemen dieses Buches ist.“ (Said 1994, S. 26–27)

„Alle Kulturen sind, zum Teil aufgrund ihres Herrschaftscharakters, ineinander verstrickt; keine ist vereinzelt und rein, alles sind hybrid, heterogen, hochdifferenziert und nichtmonolithisch.“ (Said 1994, S. 30)

Quelle: Said, Edward W. (1994): Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht. Frankfurt am Main: S. Fischer.



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